Was versteht man unter „Erfüllungsaufwand“?
Der Erfüllungsaufwand umfasst den gesamten messbaren Zeitaufwand und die Kosten, die durch die Befolgung einer landesrechtlichen Vorschrift bei Bürgerinnen und Bürgern, der Wirtschaft sowie der öffentlichen Verwaltung entstehen.
Gibt es allgemein gültige Vorgaben zur Ermittlung des Erfüllungsaufwandes?
Auf Beschluss der Landesregierung erfolgt in Baden-Württemberg die Ermittlung des Erfüllungsaufwandes analog der im Bund seit 2011 eingesetzten Methode. Wesentliche Informationen und Hinweise zur praktischen Umsetzung finden sich im Leitfaden zur Ermittlung und Darstellung des Erfüllungsaufwandes in Regelungsvorhaben der Bundesregierung (Bundesleitfaden Erfüllungsaufwand) (PDF). Weitere Konkretisierungen enthält der Ergänzungsleitfaden zur Ermittlung des Erfüllungsaufwandes in Regelungsvorhaben der Landesregierung Baden-Württemberg (Ergänzungsleitfaden Erfüllungsaufwand BW) (PDF).
Muss der Erfüllungsaufwand auch dann berechnet werden, wenn nur ein geringer Aufwand zu erwarten ist ?
Für die Berechnung des Erfüllungsaufwands bestehen zwei Ausnahmeregelungen für Regelungen, bei denen nur ein geringer Aufwand erwartet wird.
Geringfügigkeit (alle Normadressaten)
Nach Nummer 4.3.2 der Verwaltungsvorschrift der Landesregierung und der Ministerien zur Erarbeitung von Regelungen vom September 2022 (PDF) muss für „Verwaltungsvorschriften, infolge derer ein erheblicher Erfüllungsaufwand nicht zu erwarten ist“, der Erfüllungsaufwand nicht ermittelt werden. Trotzdem sind diese Verwaltungsvorschriften dem NKR BW vorzulegen.
Erheblichkeitsschwelle (nur Normadressat Verwaltung)
Regelungen, die ausschließlich Folgekosten bei der Landes- und Kommunalverwaltung auslösen, unterliegen der Berechnungspflicht erst ab 100.000 Euro Erfüllungsaufwand. Der Wert errechnet sich – unabhängig vom Vorzeichen - aus der Summe des jährlichen und einmaligen Erfüllungsaufwands der öffentlichen Verwaltung.
Für den Nachweis, dass die Erheblichkeitsschwelle nicht erreicht wird, reicht es aus, die einen Erfüllungsaufwand auslösenden Vorschriften zu ermitteln und deren Fallzahl(en), den Zeitaufwand sowie den weiteren Aufwand der Größenordnung nach abzuschätzen.
Trotzdem besteht auch bei dem Unterschreiten der Erheblichkeitsschwelle die Vorlagepflicht beim Normenkontrollrat Baden-Württemberg.
Muss der Erfüllungsaufwand auch dann berechnet werden, wenn keine zusätzlichen Folgekosten entstehen, sondern Folgekosten gespart werden?
Ja. Die Berechnung des Erfüllungsaufwands neuer Regelungsvorhaben dient dazu, deutlich zu machen, wie sich die Bürokratiebelastung bei Bürgerinnen und Bürgern, der Wirtschaft sowie der öffentlichen Verwaltung entwickelt. Es ist deshalb wichtig, auch Entlastungen transparent zu machen.
Wie ist der Erfüllungsaufwand darzustellen, wenn das Regelungsvorhaben sowohl Mehrbelastungen als auch Entlastungen zur Folge hat?
Beim Gesetzes- und Verordnungsentwurf kommt es im Gesetzesvorblatt in Teil E „Erfüllungsaufwand“ auf die Gesamtbe- oder -entlastung des Normadressaten an. Dabei ist es ausreichend, jeweils aus allen Vorgaben des Regelungsvorhabens den Saldo getrennt nach jährlichem und einmaligem Erfüllungsaufwand auszuweisen.
Beim Normadressaten Wirtschaft ist zudem der Mehr- oder Minderaufwand, der aus der Erfüllung von Informationspflichten resultiert, gesondert auszuweisen. Es ist anzugeben, wie viele Informationspflichten neu eingeführt, geändert oder aufgehoben werden und wie hoch der jährliche Mehr- oder Minderaufwand im Saldo ist. In der Begründung ist der Erfüllungsaufwand detaillierter – möglichst auf Vorgabenebene – darzustellen.
Bei Entwürfen für Verwaltungsvorschriften ist unter Berücksichtigung der entsprechenden Vorgaben der Regelungsrichtlinien (u.a. Gliederung durch Nummern statt Buchstaben) analog vorzugehen.
Müssen die Kosten der Kommunalverwaltungen bei den Kosten der öffentlichen Verwaltung gesondert ausgewiesen werden?
Nein. Sie können aber gesondert ausgewiesen werden. Die Verwaltungsvorschrift der Landesregierung und der Ministerien zur Erarbeitung von Regelungen vom September 2022 (PDF) schreibt vor, den Erfüllungsaufwand der Verwaltung (Anlage 1, Anhang 1.1.) darzustellen. Sie enthält keine Differenzierung nach Kosten der Landes- und Kommunalverwaltung.
Muss der Erfüllungsaufwand auch dann berechnet werden, wenn es sich nicht um eine Muss-Vorschrift, sondern um eine Kann-Vorschrift handelt?
Ja. Die Unmittelbarkeit und damit die Verpflichtung zur Ermittlung sowie Darstellung des Erfüllungsaufwandes ist nicht nur bei Vorgaben gegeben, die Ge- und Verbote enthalten. Auch Regelungen, bei denen lediglich Ziele oder Grenzwerte festgelegt oder Verhaltensänderungen erreicht werden sollen (z. B. durch staatliche Förderungen), sind als Vorgaben zu verstehen. Sie können ebenfalls Erfüllungsaufwand auslösen. Entsprechend ist auch bei Kann-Regelungen der Erfüllungsaufwand zu ermitteln und darzustellen (vgl. hierzu auch Erläuterungen zu Vorgaben in Anhang VIII des Bundesleitfadens Erfüllungsaufwand (PDF)). In diesem Fall wird geschätzt, in wie vielen Fällen und in welchem Umfang von der Kann-Vorschrift Gebrauch gemacht werden wird.
Wirkt es sich auf den Erfüllungsaufwand aus, wenn eine rechtliche Verpflichtung entfällt, die bisher nicht befolgt worden ist?
Auswirkungen auf den positiven oder negativen Erfüllungsaufwand ergeben sich nur dann, wenn sich das Verhalten der Normadressaten unmittelbar aufgrund der neuen Regelung ändert.
Um prüfen zu können, ob eine tatsächliche Verhaltensänderung vorliegt, muss das bisherige Verhalten der Normadressaten betrachtet werden. Dabei wird die bisherige Lebenswirklichkeit berücksichtigt. Wenn eine Vorschrift also bisher nicht befolgt wurde, führt es nach der Methodik zur Ermittlung des Erfüllungsaufwandes auch nicht zu Einsparungen, wenn sie aufgehoben wird.
Gleiches gilt analog, wenn eine bestehende Verpflichtung geändert wird.
Wichtig aber: Grundsätzlich wird bei neuen oder geänderten rechtlichen Verpflichtungen davon ausgegangen, dass die Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaft sowie die öffentliche Verwaltung zukünftig nicht gegen Rechtsvorschriften verstoßen. Das heißt, für die Zukunft wird von einem regelkonformen Verhalten ausgegangen.
Müssen die in einer Norm verlangten Einzelangaben bei einer Antragstellung wie Name, Einkommen oder Familienstand jeweils als gesonderte Vorgaben gewertet und deren Erfüllungsaufwand berechnet werden?
Nein. Sie stellen für sich betrachtet zwar jeweils eine Datenanforderung dar. Diese Einzelangaben werden jedoch sinnvollerweise in dem Gesamtvorgang „Antragstellung“ zusammengefasst und als eine einzige Informationspflicht betrachtet. Die Belastung wird dann für den Gesamtvorgang ermittelt.
Ist der Erfüllungsaufwand einer untergesetzlichen Regelung noch einmal zu ermitteln und darzustellen, wenn dies bereits bei dem zugrundeliegenden Gesetz geschehen ist (z.B. eine neue Förderung wird per Gesetz ermöglicht und das konkrete Förderverfahren regelt eine im Anschluss zu erlassene Verwaltungsvorschrift)?
Ja. Der Erfüllungsaufwand ist erneut darzustellen, wenn es sich um Regelungsvorhaben handelt, die aufgrund einer Rechtsgrundlage erlassen werden, bei der der Erfüllungsaufwand bereits schon einmal berechnet und dargestellt wurde. Im Gesetzgebungsverfahren steht die konkrete Gestaltung eines Sachverhaltes oft noch nicht fest und der Erfüllungsaufwand kann nur sehr grob geschätzt werden. Wird ein konkretes Verfahren schließlich in einer Verordnung oder Verwaltungsvorschrift festgeschrieben, ist der Erfüllungsaufwand aufgrund der nun vorliegenden Erkenntnisse ggf. zu korrigieren. Der Erfüllungsaufwand der beiden Regelungen wird in der Jahresbilanz konsolidiert, so dass es zu keiner doppelten Erfassung des Erfüllungsaufwands kommt.