Ist der Erfüllungsaufwand auch dann zu berechnen, wenn es bei dem Regelungsvorhaben des Landes um die Umsetzung von Bundesrecht geht und der Erfüllungsaufwand bereits vom zuständigen Bundesministerium berechnet worden ist?
Ja. Die Verwaltungsvorschrift der Landesregierung und der Ministerien zur Erarbeitung von Regelungen (PDF) nimmt Regelungen zur Umsetzung verbindlichen EU-Rechts sowie zur Umsetzung der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds von der Ermittlungs- und Darstellungspflicht des Erfüllungsaufwands aus, nicht aber Regelungen zur Umsetzung von Bundesrecht. Wenn die Berechnung des Bundes plausibel und nachvollziehbar auf Baden-Württemberg übertragbar ist, kann sie aber für die Schätzung herangezogen werden.
Zählen die Personalkosten, die durch die Arbeit von Richterinnen und Richtern entstehen, zum Erfüllungsaufwand?
Nein. Nach dem Bundesleitfaden Erfüllungsaufwand (PDF)(Seite 5) handelt es sich bei den Personalkosten von Richterinnen und Richtern, die im Rahmen von Tätigkeiten entstehen, die dem justiziellen Kernbereich (Judikative) zuzurechnen sind, nicht um Erfüllungsaufwand.
Dies gilt auch für Serviceleistungen, die in direktem Zusammenhang mit der Ausübung richterlicher Tätigkeiten liegen (z.B. Protokollführung).
Welche Regelungsvorhaben gehören zu den haushaltsrechtlichen Regelungen, für die kein Erfüllungsaufwand zu ermitteln ist (vgl. Verwaltungsvorschrift der Landesregierung und der Ministerien zur Erarbeitung von Regelungen (PDF), Nummer 4.3.2, erster Spiegelstrich)?
Zu den haushaltsrechtlichen Regelungen zählen das Staatshaushaltsgesetz, der Haushaltsplan, das Haushaltsbegleitgesetz, das Finanzausgleichsgesetz, die Landeshaushaltsordnung sowie Verordnungen und Verwaltungsvorschriften, die vom Finanzministerium zur Konkretisierung oder Umsetzung der vorgenannten Gesetze erlassen werden. Für diese Regelungen ist grundsätzlich kein Erfüllungsaufwand zu ermitteln.
Etwas anderes gilt, wenn es sich dabei inhaltlich nicht um haushaltsrechtliche Regelungen handelt, sondern um Verfahrensfragen, die die Verwaltungstätigkeit betreffen (z.B. Einrichtung einer Geschäftspartnerverwaltung nach § 34a LHO). Hier ist der Erfüllungsaufwand zu ermitteln und darzustellen. Dies gilt auch, wenn eine Regelung haushaltsrechtlich relevante Vorschriften beinhaltet oder auf haushaltsrechtliche Vorschriften Bezug nimmt(z.B. Regelungsvorhaben für Förderprogramme oder zur Anwendung von Vergabevorschriften).
Wird der Erfüllungsaufwand auch bei einem Förderprogramm berechnet, obwohl es sich bei der Förderung um ein Angebot und nicht um eine Verpflichtung handelt?
Ja. Verhaltensänderungen kann der Staat nicht nur über Ge- und Verbote erreichen, sondern auch über Förderprogramme. Um die staatlichen Förderleistungen empfangen zu können, muss der Zuwendungsempfänger aber in der Regel bestimmte Vorgaben erfüllen. Diese lösen bei ihm Folgekosten aus (z. B. bei der Antragstellung). Zudem entsteht auch bei den bearbeitenden Stellen Erfüllungsaufwand (z.B. Antragsprüfung, Erstellung des Zuwendungsbescheides). Entsprechend ist bei Vorgaben für staatliche Förderungen der Erfüllungsaufwand ebenfalls zu ermitteln. Da die Inanspruchnahme nicht verpflichtend ist, handelt es sich hier um eine Kann-Vorschrift (vgl. hierzu auch Erläuterungen zu Vorgaben in Anhang VIII im Bundesleitfaden Erfüllungsaufwand (PDF)).
Gehören bei einem Förderprogramm, das Gegenstand eines neuen Regelungsvorhabens ist, auch die Zuschüsse zum Erfüllungsaufwand, die bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen gewährt werden?
Nein. Bei Zuschüssen handelt es sich nicht um Erfüllungsaufwand. Sie stellen Kosten für den öffentlichen Haushalt dar.
Entsprechend sind sie im Teil D des Vorblatts zum Gesetzes- oder Verordnungsentwurf auszuweisen. Die Wirkungen der Fördermaßnahme für die Zuwendungsempfänger werden im Teil F „Nachhaltigkeitscheck“ dargestellt. Beim Regelungsentwurf für eine Verwaltungsvorschrift ist unter Berücksichtigung der entsprechenden Vorgaben der Verwaltungsvorschrift der Landesregierung und der Ministerien zur Erarbeitung von Regelungen (PDF) (u. a. Gliederung durch Nummern statt Buchstaben) analog vorzugehen.
Ein neues Regelungsvorhaben normiert, was bisher im Rahmen von Förderaufrufen oder Pilotprojekten vorgegeben war – z.B. bisher wiederkehrende Förderaufrufe eines Ministeriums, nunmehr eine Förder-VwV. Handelt es sich um Erfüllungsaufwand oder um „Sowieso-Kosten“?
Die Aufwände sind als Erfüllungsaufwand zu ermitteln und darzustellen, wenn es durch das Regelungsvorhaben zu einer wesentlichen Veränderung des Umfangs, der Art des Zeitaufwands und/oder der Personal- und Sachaufwände kommt (z.B. durch eine Erweiterung der Fördertatbestände oder des Kreises der Förderempfänger; durch eine Verstetigung des bisherigen Verfahrens).
Die Aufwände sind dagegen als Sowieso-Kosten zu behandeln und damit nicht als Erfüllungsaufwand zu erfassen, wenn die bisherigen Vorgaben im Rahmen des neuen Regelungsvorhabens unverändert weiter angewendet werden und es zu keiner wesentlichen Aufwands- oder Verhaltensänderung kommt.
Zählen Be-/Entlastungen, die den Landesministerien im Zusammenhang mit einer in der Regelung ausdrücklich vorgesehenen Evaluation entstehen, zum Erfüllungsaufwand?
Nein. Die Überprüfung der Zielerreichung einer Regelung sowie die Identifizierung von Ansatzpunkten für eine bessere Rechtssetzung wird zum Regierungshandeln gezählt. Dieses wird bei der Ermittlung des Erfüllungsaufwandes nicht einbezogen.
Zum Regierungshandeln gehört beispielsweise auch die Konzeption/Erstellung von Regelungsentwürfen in den Landesministerien, sowie die Beratung / Abstimmung in den diversen Gremien.
Sind Aufwendungen, die den Landesministerien durch die Inanspruchnahme von externen Leistungen im Zusammenhang mit der Evaluation von Regelungen entstehen, beim Erfüllungsaufwand zu berücksichtigen?
Nein. Bei diesen Aufwendungen handelt es sich um Sachaufwand der Ministerien. Da sie im Zusammenhang mit der Evaluation von Regelungen und somit durch Regierungshandeln entstehen, sind sie nicht bei der Ermittlung des Erfüllungsaufwandes einzubeziehen (vgl. oben).
Zählen Be-/Entlastungen, die Institutionen aus der Wirtschaft und der übrigen Verwaltung im Zusammenhang mit der Evaluation von Regelungsvorhaben entstehen, zum Erfüllungsaufwand?
Entsteht aus einer Vorgabe für die Wirtschaft (z. B. Verbände) oder für die übrige Verwaltung (z. B. den Landesministerien nachgeordnete Behörden, Kommunen) eine Verpflichtung zur Mitwirkung an einer Evaluation, sind die Be-/Entlastungen, die den Einrichtungen dadurch entstehen, bei der Ermittlung und Darstellung des Erfüllungsaufwandes einzubeziehen.
Zählen Kosten der Landesverwaltung, die durch die Errichtung einer neuen Behörde entstehen, zum Erfüllungsaufwand?
Nein. Kosten für Anmietungen, den Neubau, den Umbau, den Umzug sowie die Kosten für die Büro- und IT-Ausstattung zur Einrichtung einer neu gegründeten Behörde sowie sämtliche dafür notwendigen Planungen zählen entsprechend der angepassten länderspezifischen Methodik in Baden-Württemberg als „institutionelle Kosten“ nicht zum Erfüllungsaufwand.
Gegebenenfalls werden Kosten für den Landeshaushalt (unter Punkt D des Gesetzesvorblatts), aber kein Erfüllungsaufwand i.S. der Nr. 4.3.1 der Verwaltungsvorschrift der Landesregierung und der Ministerien zur Erarbeitung von Regelungen (PDF) ausgewiesen.
Zählen die Kosten des Landes, die durch die Schaffung neuer Haushaltsstellen entstehen, zum Erfüllungsaufwand?
Die Schaffung neuer Haushaltsstellen an sich - ohne neue Aufgaben - führt nicht zu Erfüllungsaufwand. Diese Kosten für neue Stellen (z.B. für Lehrerinnen und Lehrer oder Polizistinnen und Polizisten) werden bereits im Gesetzesvorblatt unter Punkt D. „Kosten für die öffentlichen Haushalte“ ausgewiesen.
Werden die Haushaltsstellen zur Bewältigung neuer Aufgaben geschaffen, ist der Aufwand für die Aufgabenerledigung darzustellen, wenn es sich dabei um Bürokratiekosten oder Kosten der Fiskalverwaltung handelt.
Welche Regelungsvorhaben gehören zu den beihilferechtlichen Regelungen im Sinne der Artikel 107, 108 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), für die kein Erfüllungsaufwand zu ermitteln ist (vgl. VwV Regelungen vom 1. Januar 2018, Nr. 4.3.2, dritter Spiegelstrich)?
Zu den beihilferechtlichen Regelungen im Sinne der Art. 107, 108 AEUV gehören Förderprogramme, die bei der EU-Kommission förmlich angemeldet und genehmigt werden müssen (Notifizierungspflicht).
Damit ein Förderprogramm unter das EU-Beihilferecht fällt, müssen die daraus geförderten Maßnahmen eine Beihilfe darstellen. Für das Vorliegen einer Beihilfe müssen fünf Tatbestandsmerkmale kumulativ erfüllt sein:
- Staatliche Mittel,
- zugunsten eines Unternehmens,
- selektive Begünstigung,
- (drohende) Wettbewerbsverfälschung,
- Handelsbeeinträchtigung zwischen den Mitgliedstaaten
Ausnahmen der gesetzlichen Notifizierungspflicht sind in Artikel 107 Abs. 2 AEUV als Legalausnahmen unter Abs. 3 als Ermessensausnahmen geregelt. Darüber hinaus gibt es Ausnahmen für Unterstützungen, die aufgrund ihres geringen Volumens unter eine Bagatellgrenze (De-minimis) fallen und bei denen davon ausgegangen wird, dass infolge der geringen Höhe der Zuwendung keine Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels erfolgt. Sofern die Bagatellgrenze überschritten wird, liegt eine weitere Ausnahme unter Beachtung der Voraussetzungen der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung vor.
Folglich handelt es sich bei einem Regelungsvorhaben um eine beihilferechtliche Regelung im Sinne der Artikel 107, 108 AEUV, wenn alle fünf o. a. Tatbestandsmerkmale erfüllt sind und keine Ausnahme von der Notifizierungspflicht besteht.
Beispiele für solche Regelungsvorhaben sind die Corona-Hilfsprogramme des Bundes und der Länder, die sich auf die von der Europäischen Kommission genehmigten Beihilferegelungen stützen (z. B. Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020, Bundesregelung Fixkostenhilfe 2020).
Für diese Art von Regelungsvorhaben entfällt nicht nur die Pflicht zur Ermittlung des Erfüllungsaufwands, sondern auch das Prüfungsrecht des NKR BW. Der NKR BW muss an diesen Regelungsvorhaben nicht beteiligt werden.